2 Der Musikmarkt
Das folgende Kapitel führt in die Grundlagen und Besonderheiten
des klassischen Tonträgermarktes ein. Dies soll einem besseren Verständnis
der Möglichkeiten und Neuerungen des digitalen Musikvertriebes, die
im Hauptteil der Arbeit behandelt werden, dienen.
Zunächst wird die wirtschaftliche Dimension des Musikmarktes, sowohl
national als auch international, und seine Entwicklung bis zum heutigen
Stand dargestellt. Nachfolgend wird das Business-Modell des physischen
Musikvertriebes, von der Musikproduktion, über seine Vermarktung
bis hin zur Distribution über den Handel, beschrieben. Abschließend
wird auf das Urheberrecht, als die rechtliche Grundlage für die Musikvermarktung
eingegangen.
 
2.1 Bedeutung und Entwicklung der Musikindustrie
Der weltweite Umsatz der Tonträgerwirtschaft betrug im Jahre 1998
fast 40 Mrd. $ bei einem Absatzvolumen von 4,1 Mrd. Tonträgern. Deutschland
ist nach den USA mit 34% und Japan mit 17% bei einem Anteil von etwa 7%
der viertgrößte Markt weltweit und der zweitgrößte
Markt in Europa. Tab.1 zeigt die Umsätze der Tonträgerindustrie
im internationalen Vergleich.
Jahresumsatz
98 Weltanteil
Weltweit
38,7 Mrd. $ 100%
USA
13,193 Mrd. $ 34,1%
Japan
6,521 Mrd. $ 16,9%
EU (gesamt) 11,643
Mrd. $ 29,9%
Deutschland 2,832
Mrd. $ 7,3%
UK
2,855 Mrd. $ 7,4%
Frankreich
2,134 Mrd. $ 5,5%
Tab. 1: Weltweite Umsätze der Tonträgerindustrie 1998 (in Mrd.
$)
Quelle: Zahlen basierend auf Ifpi.org (1999).
In Deutschland ist die Tonträgerindustrie der wirtschaftlich bedeutendste
Bereich innerhalb der Kulturindustrie. Mit einem Umsatz von jährlich
knapp 5 Mrd. DM liegen Tonträgerverkäufe in Deutschland über
den Umsätzen der Filmindustrie, der Video-Programmanbieter oder der
Theater- und Opernhäuser. Die Musikproduktion ist die Basis für
benachbarte Wirtschaftsbereiche. Diese sind von Veränderungen innerhalb
der Musikindustrie direkt oder mittelbar betroffen:
Abb.1 : Die Musikwirtschaft - Kernbereich und Umfeld (Jahresumsätze
1995)
Quelle: In Anlehnung an Schulz (1995), S. 43.
Erstmal seit 15 Jahren stagnieren die Absatzzahlen der verkauften Tonträger
und dadurch die Umsätze. Bereits Anfang der 80er Jahren befand sich
die Musikindustrie in einer ähnlichen Absatzkrise. Der rückläufige
Absatz von Tonträgern konnte damals durch die Einführung der
CD als neues digitales Musikformat überwunden werden. Die Jahresumsätze
des Tonträgermarktes konnten von 12,3 Mrd. $ im Jahre 1985 auf 39,5
Mrd. $ im Jahre 1996 gesteigert werden.
Jahr
1985 1990
1991 1992 1993 1994 1995
1996
Absatz in Mio.
StückCD
61
770 977,8 1165 1392
1741 1961 2144
Umsatz in Mrd.$
(Endverbraucherpreise) 12,25 24,0
26,2 28,8 30,5
35,5 39,3 39,5
Tab. 2: Entwicklung der weltweiten Absatz- und Umsatzzahlen für Tonträger
Quelle: In Anlehnung an IFPI (1997), S. 35.
Im letzten Jahr konnte hingegen keine weltweite Absatzsteigerung erzielt
werden. Speziell in Deutschland ist ein rückläufiger Trend zu
beobachten. Hier war 1998 einer der weltweit höchsten Umsatzeinbußen
für den Absatz von Tonträgern zu verzeichnen:
Tab. 3: Entwicklung des weltweiten Musikmarktes 1998 / 1999
(Mrd. $)
Quelle: Datenmaterial aus Ifpi.org (1999a).
Jahr
1995 1996
1997 1998 1/98 zu 1/97 1/99
Absatz in Mio. StückCD
177 185 197 193
Entwicklung zu Vorjahr
(1.Halbjahr des Vorjahrs)
+6% +4% +6% -2% -6% -10%
Tab.4 : Entwicklung des Tonträgerabsatzes in Deutschland 1995-1999
Quelle: Daten aus Ifpi.org (1999a) und Hertz (1999), S. 65.
Die Begleitumstände der Absatzkrise Anfang der 80er Jahre waren
eine angespannte wirtschaftliche Gesamtlage, sowie eine Konkurrenz durch
das neue Elektronikprodukt Videorecorder. Die Musikindustrie entwickelte
die Compact Disc als neues digitales Musikformat, daß die eigenen
Formate Vinyl-Platte und Musikkassette ablösen sollte. Die Vorteile
der CD gegenüber den analogen Tonträgern sind eine höhere
Musikqualität, Verschleißfreiheit und Benutzerfreundlichkeit.
Die Einführung des neuen CD-Formates hatten dabei auf den Vertriebsweg
und die Vermarktungsstrategien keinen Einfluß. Lediglich das Medium
für Musik änderte sich. Die CD ist weltweit und in Deutschland
mittlerweile das bedeutende Musikformat. Die Audio-CD hatte im Jahre1998
weltweit einen Anteil von 65% und in Deutschland einen Anteil von 83%
aller verkauften Tonträgern.
Allerdings verschiebt sich ein Teil des (Freizeit-)Budgets der Konsumenten
in Richtung neuer Multimediageräte. Personal Computer, Peripherie
und Multimedia-CD nehmen einen Teil der verfügbaren Gelder in Anspruch
speziell die traditionell kaufintensiven Musikkonsumenten zwischen 10
bis 30 Jahren verlagert ihre Ausgaben in Richtung des Multimediabereiches.
Dies verdeutlichen die in den letzten Jahren kontinuierlich zunehmenden
Verkaufszahlen der CD-ROM und der Vergleich mit den gleichzeitig rückläufigen
Verkaufszahlen der Audio-CD in ihren stärksten Käufergruppen:
Abb. 2: Absatzentwicklung von CD-ROM und Audio-CD von 1997 nach 1998
in den umsatzstarken Käufergruppen von Tonträgern (in Prozent)
Quelle: Daten aus Zombik (1999a).
Abb.3: Entwicklung der CD-ROM Verkaufszahlen (in Prozent)
Quelle: Daten aus Zombik (1999a).
Dabei werden von Seite der Multimediaindustrie kontinuierlich Anreize
für Neu- und Nachfolgekäufe generiert, so daß auch zukünftig
Ausgaben in diesem Konsumentensegment zu erwarten sind. Eine zusätzliche
Konkurrenz erhält die Musikindustrie durch die private Vervielfältigung
von Musik-CDs mit CD-Brennern. Speziell in Westeuropa, USA und Japan wird
der Anteil privater CD-Vervielfältigung hoch eingeschätzt. Durch
die Bedeutung des CD-Formates wird mit steigenden Umsatzeinbußen
gerechnet. In dieser Situation bietet sich der Musikindustrie Herausforderungen
und Chancen durch digitale Musik und digitalen Vertrieb im Internet.
2.2 Das Businessmodell des klassischen Musikvertriebes
Das Businessmodell für physische Tonträger läßt sich
in vier Marktstufen einteilen. Auf der ersten Stufe, die Musikschaffung,
bieten Komponisten und Musiker Melodien, Kompositionen oder Texte an.
Die Tonträgerproduzenten fragen Musik nach oder verpflichten Musiker,
ein Angebot zu schaffen. In der zweiten Stufe, die Musikproduktion, werden
Musiker verpflichtet, die Komposition aufgenommen und ein physisches Musikprodukt
entwickelt. Mit Hilfe der Musikvermarktung, der dritten Stufe, wird das
Produkt Musik am Markt angeboten. Dies geschieht im wesentlichen durch
Promotion, Werbung und gezielte Produkt- und Musikgestaltung, aber auch
durch Nutzung der Medien, die Musik senden und so ein Nachfragebedürfnis
bei den Musikhörern schaffen. Der Verkauf des Tonträgers an
den Konsumenten über den Tonträgerhandel und der Verkauf von
Lizenzen des Musiktitels an andere Tonträgerhersteller bilden die
letzte Stufe, die Musikdistribution.
Abb. 4: Die Marktstufen des physischen Tonträgermarktes
Quelle: In Anlehnung an Kulle (1998), S. 122.
Das Businessmodell der Tonträgerhersteller beim physischen
Tonträgermarkt sind in Abb. 4: im zeitlichen Ablauf dargestellt.
Die Beschreibung der Marktstufen und deren Ablauf beim klassischen Musikvertrieb
werden im folgenden genauer dargestellt.
 
2.2.1 Musikproduktion und Organisation der Tonträgerhersteller
Der weltweite Tonträgermarkt teilt sich im wesentlichen unter wenigen
Tonträgerherstellern, den Major Labeln, auf. Kennzeichen der Major
Label ist ihre vollständige Integration. Sie führen international
sämtliche Unternehmensfunktionen, von der Beschaffung der Musikproduktionen,
Vermarktung, Pressung bis zum Vertrieb selbst oder mit Hilfe ihrer Tochterunternehmen
durch. Sie sind zentral organisiert und arbeiten mit nationalen Ländervertretungen,
die nationale Musikprodukte schaffen und internationale Musikproduktionen
in den nationalen Märkten vermarkten. Jedes Major Label ist mit mehreren,
für verschiedene Musiksegmente zuständigen Labeln am Markt.
Diese Label dienen der gezielten Marktbearbeitung, das heißt als
Markenzeichen (Brand) für bestimmte Musikrichtungen und Künstler.
Die Major Label sind Universal, Sony Music, Time Warner (WEA), EMI und
die Bertelsmann Music Group (BMG).
Abb. 5: Anteil der Major-Label an weltweiten Tonträgerverkäufen
Quelle: Billboard,Magazin, 18.April 1998, zitiert nach McDonnel / Hood
(1999), S. 3.
Neben den Major Labeln existieren die Intependents, als von den Musikkonzernen
unabhängige Tonträgerhersteller. Sie bearbeiten meist Marktnischen
oder sind auf die sich schnell ändernden Musiktrends spezialisiert.
Independents nutzen meist Herstellungsservice und Vertriebskanläle
der Major Label. Durch schnell wechselnde Trends und eingeschränkte
finanzielle Ressourcen sind Neuveröffentlichungen für Independents
risikobehaftet. Die Existenzdauer von Independents ist daher oft gering.
Bedeutende und wirtschaftlich erfolgreiche Independents in Deutschland
sind z.B. ZYX und EDEL-Musik.
Die Organisation und die betrieblichen Funktionen der Major Label und
Independents gleichen sich. Sie lassen sich in die Bereiche A&R (Artist
und Repertoire), Marketing, Rechte und Lizenzen, Vertrieb und betriebswirtschaftliche
Funktionsbereiche einteilen:
Abb. 6: Organisation eines Tonträgerherstellers
Quelle: in Anlehnung an Schulz (1995), S. 129.
Die Musikschaffung, die erste Marktstufe der Musikdistribution ist gekennzeichnet
durch ein Überangebot von Musik. Die Aufgabe der Artist & Repertoire
- Abteilung (A&R) ist es nun, zwischen den Angeboten an Musik auszuwählen.
Der A&R-Manager hat die Möglichkeit, aus dem Angebot unbekannte
Musikstücke und Künstler herauszusuchen, um diese aufzubauen
oder bereits erfolgreiche Künstler als Markenartikel für das
eigene Repertoire unter Vertrag zu nehmen. Unbekannte Künstler bergen
ein finanzielles Risiko und erfordern Aufbaukosten, bekannte Künstler
besitzen bereits eine Konsumentennachfrage und der Preis für ihre
Verpflichtung ist höher. Der klassische Musikmarkt kann hier als
winner-takes-all Markt bezeichnet werden. In einem Markt mit hohem Angebot
existieren einige wenige erfolgreiche Künstler, die sehr hohe Gewinne
erzielen, während ein Großteil nicht die Kosten der Produktion
deckt. Durch hohe fixe Produktions- und Distributionskosten ist die Musikindustrie
abhängig von wenigen Top-Künstlern. Nach einem Bericht der Recording
Industry of America (RIAA) erwirtschaften etwa 85% der veröffentlichten
Tonträger nicht die eigenen Produktionskosten. Dagegen erhält
der Künstler gerade 15% des Verkaufspreise seiner veräußerten
Tonträger. Die Tendenz zum Aufgreifen und Kopieren vorhandener bereits
etablierter Trends, statt zur Förderung junger Künstler und
neuer Musikstile liegt in dieser Problematik begründet. Wurde ein
Künstler unter Vertrag genommen, kann das Musikstück produziert
werden. Es besteht die Möglichkeit, eine fertige Produktion vom Künstler
/ Produzenten einzukaufen oder selber eine Produktion der Musikaufnahme
zu finanzieren. Mit Zunahme der Qualität bei fallenden Investitionskosten
für die Ausstattungen von Kleinstudios wird, speziell in schnellebigen
Trendbereichen, die Produktion vom Künstler/Produzenten selbst durchgeführt.
Der A&R-Manager ist hier verantwortlich für die Produktidee und
vermittelt zwischen Künstlern, Produzent und Tonträgerhersteller.
In der nächsten Vermarktungstufe gilt es, die Musikaufnahme zu vermarkten
und dem Musikkonsumenten anzubieten.
 
2.2.2 Musikkonsumenten und Musikvermarktung über die Medien
Musik ist ein (Freizeit-)Konsumprodukt. Sie befriedigt kulturelle Bedürfnisse,
Emotionen, Gruppenzugehörigkeit oder sozialen Status. Schätzungsweise
die Hälfte aller Musikkäufe basiert auf Spontankäufen oder
Erinnerungskäufen. In Konsumentenbefragungen, nach erfolgtem Musikkauf,
wurden Radiosendungen, Fernsehen, Freunde, Preisangebote, Kritiken und
Charts als Kriterium für die Kaufentscheidung ermittelt. Diese Kriterien
zeigen, daß direktes Hören oder persönliche Empfehlungen
die Voraussetzungen für die Kaufentscheidung treffen. Daher bilden
die Medien die zentrale Grundlage für die Vermarktung von Musik.
Sie übernehmen eine Promotions- und Veröffentlichungsfunktion
für das Musikangebot der Tonträgerhersteller. Durch die Sendung
eines Musiktitels kann beim Hörer ein Interesse geweckt werden. Will
der Hörer zu beliebigem Zeitpunkt und ohne Fremdstörung die
Musik konsumieren, benötigt er sie auf einem Tonträger. Über
die Veröffentlichung von neuen Titeln in den Medien können neue
Künstler und Musikstile präsentiert und aufgebaut werden. Ebenso
werden die Medien zu Promotion und Vorstellung der Künstler genutzt,
etwa durch Interviews oder Berichte in Rundfunk, Fernsehen oder Magazinen.
Zwischen Tonträgerherstellern und Medien besteht ein gegenseitiges
Abhängigkeitsverhältnis. Die Medien gestalten den Großteil
ihrer Programminhalte durch Musik und sind auf diese angewiesen. Die Rundfunkanstalten
haben ein gesetzlich zugesichertes Sendeprivileg für das gesamte
Musikrepertoire. Etwa 85% Programmanteil der Radiosendungen werden durch
Musik gedeckt. Für deren Nutzung werden jährlich Rahmenverträge
abgeschlossen und Sendegebühren erhoben.
Dieses gegenseitige Verhältnis wird allerdings durch Entwicklungen
im Rundfunk bedroht. Die Grundlage der Medien ist ihre Werbeeinnahmen.
Selbst bei den öffentlich rechtlichen Sendeanstalten ist die Finanzierung
des Sendebetriebs mittlerweile auf Werbeeinnahmen angewiesen. Werbeeinnahmen
ergeben sich auf Grundlage der Zuschaltquoten der Zielgruppe, so daß
ein möglichst auf große Akzeptanz und Interesse ausgerichtetes
Musikprogramm erstellt wird. Dies führt zur Einschränkung der
Musikvielfalt und die Fokussierung auf wenige Hits und Trends. In den
Radiostationen wird diese Entwicklung vor allem durch die Verbreitung
des Formatradio verstärkt. Formatradio ist die computerunterstütze
Generierung von Radioprogrammen, wobei die Musikauswahl nicht mehr durch
den Radioredakteur getroffen wird, sondern anhand von Charts und Media-Daten,
automatische Musiksendeabläufe generiert werden. Zählten vor
einigen Jahren noch mehrere tausend Titel zu den Playlists der Hörfunksendern,
so sind es heute, nach sorgfältiger und durch Marktforschung gestützter
Auswahl gerade noch 500 bis 1500 Titel. Weiter bedrohen neue, auf wenige
Musikstile spezialisierte Sparten-Radiosender das Verhältnis. Radio
verliert seine Funktion als Promotions- und Verbreitungsinstrument und
wird zur Konkurrenz für die Tonträgerindustrie, da das gezielt
dargebotene Radioprogramm einen Musikkauf substituieren kann.
Wichtiger ist daher das Fernsehen geworden, insbesondere die Musikkanäle
VIVA und MTV. Gerade VIVA hat erheblichen Anteil an der Popularisierung
deutschen Repertoires. Der Einfluß dieser TV-Musikkanäle hat
große Auswirkungen auf den Publikumserfolg von Musikproduktionen,
bei den von den Sendern bedienten Zielgruppen. Bei den Fernseh-Vollprogrammen
wird Musik wieder stärker als interessantes Programmangebot genutzt
und neue Formate entwickelt.
Neben der indirekten Werbung über die Medien kann Musik auch direkt
beworben werden. Formen der direkten Werbung für ein Musikprodukt
ist aufgrund der Kosten meist auf Top-Künstler beschränkt oder
wird nur in Form von Gemeinschaftswerbung für Musik-Veröfentlichungen,
die Musik von mehreren Tonträgerhersteller auf einem Tonträger
enthalten, durchgeführt.
Die weitere Betrachtung der Musikkonsumenten und deren Kaufverhalten
liefert Erkenntnisse über zukünftiges Verhalten und Grundlage
für die Entwicklung neuer Vermarktungsmodelle, wie die digitale Musikdistribution.
Der Musikmarkt wird halbjährlich und jährlich im Auftrag der
Tonträgerverbände analysiert. Der Anteil der deutschen Bevölkerung
ohne Tonträgerkäufe lag 1998 bei 48,7%. Der Anteil der Intensivkäufer
(diejenigen Konsumenten mit mehr als 9 Tonträgereinkäufen) lag
bei 6%. Dieses ist die Kernzielgruppe der Tonträgerhersteller. Durchschnittskäufer
(mit 4 bis 9 Tonträgern) bei 13% und Gelegenheitskäufer (1 bis
3 Käufe) machen ein Anteil von 31% aus. Dabei entfallen 45% des Gesamtumsatzes
auf die Intensivkäufer, 32% auf Durchschnittskäufer und 23%
auf die Gelegenheitskäufer.
Abb. 7: Tonträgerabsatz in Käufergruppen und deren Bevölkerungsanteil
Quelle: Daten aus Zombik (1999a).
Die Tonträgerverkäufe in den einzelnen Altersgruppen
zeigt, daß vor allem der junge Anteil der Bevölkerung überpropotional
Tonträger nachfragt. Eine Betrachtung der Altersentwicklung der Bevölkerung
läßt auf eine Abnahme in der kaufintensiven Käufergruppe
und zukünftig rückläufiges Konsumpotential schließen:
Abb. 8: Tonträgerabsatz in Altersklassen und deren Bevölkerungsanteil
Quelle: in Anlehnung aus Kulle (1998), S. 157.
Neben den halbjährlichen und jährlichen Statistiken bilden
die wochengenauen Musik-Charts die Grundlage für die Einschätzung
des Musikmarkts und Trends. Es existieren Charts für verschiedene
Musiksegmente (Pop, Rock, ...), die verschiedenen Musikformate (Single,
Longplay, ..) oder verschiedene Verbreitungsformen (Verkaufs-, Airplay-,
Clubcharts..). Die Erhebung der Charts führt in Deutschland MEDIA
CONTROL, durch . Darüber hinaus, haben die Majors über das bundesweite
Datennetz PhonoNet direkten Zugriff auf die aktuellen Verkaufs- und Bestelldaten
im Handel.
 
2.2.3 Preis- und Produktpolitik
Die Neuveröffentlichung eines Musiktitels auf einem Tonträger
entspricht einer Produktinnovation. Neben diesen existieren noch die erneuten
Veröffentlichungen bereits verwerteter Titel (Backkatalog) und Mischformen,
wie Komplikationen und Musikneuzusammenstellungen (Remix) von aktuellen
Titeln. Das Musikprodukt wird in Form verschiedener Tonträgerformate
angeboten. Dies sind die Single-Formate, die Longplay-Formate und die
Kompilationen. Sie können als CD oder Vinyl-Tonträger veröffentlicht
werden. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Single-Format zu. Die
Single ist ein Impulsgeber für die musikalische und die wirtschaftliche
Entwicklung im Markt. Sie ist ein Marktbarometer und Erprobungsinstrument,
außerdem ist sie vielfach für neue Talente und neue Trends
die erste Präsentationsform. Dabei werden z.T. temporäre Verluste
beim Verkauf von Singles in Kauf genommen, da die Single einen Test- und
Werbeeffekt für die folgenden höherpreislichen Albenverkäufe
hat.
Die Grundlage der Produktpolitik der Tonträgerhersteller
sind die verschiedenen Musikstile, ihr Repertoire. Die Bedeutung der einzelnen
Repertoiresegmente für den Gesamtumsatz in Deutschland verdeutlicht
die folgende Grafik:
Abb. 9: Die Umsatzanteile der einzelnen Repertoiresegmente
Quelle: GfK Panel Service, zitiert nach Ifpi.de (1999).
ie Repertoiresegmente teilen sich auf nationale und internationale
Produktionen auf. DasVerhältnis von deutschen zu internationalen
Produktionen lag 1998 bei den Lonplay-Charts bei 28% zu 37%. Die restlichen
Anteile ergeben sich aus Misch-Samplern. Bei den Single-Charts lag der
Anteil bei 42,7%. Musik als Kulturgut unterliegt nationalen Unterschieden.
Daher ergeben sich je nach Repertoiresegment differenzierte Möglichkeiten
zur internationalen und nationalen Vermarktung. Dies speziell im Hinblick
auf einen globalen und regionalen digitalen Musikvertrieb.
Der Wettbewerb der Tonträgerhersteller untereinander findet bisher
ausschließlich im Rahmen der Produktpolitik statt. Die Preisvariation
beträgt maximal 10% in den Preiskategorien. Ein Preiswettbewerb findet
daher zwischen den Herstellern nicht statt. Die Preiskategorien teilen
sich in Full-, Mid- und Low-Price auf. Sie können im zeitlichen Ablauf
beschrieben werden. In die Full-Price-Kategorien fallen alle Neuveröffentlichungen
und aktuelle Künstler. Der Hauptteil des Umsatzes, etwa 75% wird
durch das Full-Price-Segment generiert. In das Mid-Price-Segment fallen
ältere Tonträger und Kompilationen, während im Low-Price-Segment
meist eine Verwertung durch Verkauf von Musik-Lizenzen an andere Tonträgerhersteller
und eine Verbreitung neben dem traditionellen Musikhandel, etwa über
Supermärkte, erfolgt. Die Tonträgerherstellern generieren etwa
30% ihrer Umsätze aus dem Verkauf Lizenzen von bereits selbst verwerteter
und veröffentlichter Musik. Die Produkt- und Preispolitik der Independents
gestaltet sich etwas anders. Sie bearbeiten Marktnischen, greifen junge
Trends auf und binden junge Künstler an sich. Diese werden meist
im Mid-Price-Segment angeboten.
Der Vertriebsweg über den Tonträgerhandel gestaltet sich fast
ausschließlich in direkter Form. Nur in Fällen geringer Absatzzahlen
werden Zwischenhändler eingeschaltet oder kleinere Händler schließen
sich zu Einkaufsgruppen zusammen, die wiederum direkt beliefert werden.
Bei größeren Handelsfilialen läuft der Bestellvorgang
über das PhonoNet ab. Der Tonträgerhandel stellt sich in unterschiedlichen
Formen dar. Es existieren Großhandelsketten, die Fachabteilungen
in Warenhäusern, Supermärkten und der Facheinzelhandel. Durch
einen zunehmenden Preiswettbewerb im Handel und die mitunter aggressiven
Verkaufsstrategien von Großhandelsketten, ist die Zahl der Verkaufsstellen
in Deutschland rückläufig. Es kann erwartet werden, daß
diese Entwicklung durch das Angebot von Tonträgern im Online-Musikhandel
und durch die digitale Musikdistribution verstärkt wird.
Abschließend und zusammenfassend soll die folgende Grafik die Aufteilung
der Verkaufserlöse eines Tonträgers auf die einzelnen am Vermarktungsprozeß
beteiligten Marktstufen dargestellt werden. Dabei wird deutlich, daß
ein großer Teil des Tonträgerpreises auf den Handel (28,49%)
und den Vertriebs- und Verwaltungsanteil der Tonträgerhersteller
(21,42%) entfällt, während Herstellung(9,42%), Vermarktung (5,51%)
und schließlich Künstler/Urheber (17,63%) geringere Preis-Anteile
besitzen:
Abb. 10: Aufstellung der Deckungsbeiträge aus dem Verkaufserlös
einer CD
Quelle: Der Musikmarkt, Heft16/94, zitiert nach Schulz (1995), S. 22.
Durch einen digitalen Musikvertrieb können Einsparungen in Teilen
der einzelnen Marktstufen erreicht werden. Diese werden nun in 3.2.1 genauer
betrachtet werden.
 
2.3 Urheberrecht und Verwertung
Die Kenntnis der rechtlichen Grundlagen ist wichtig für den Vertrieb
von urheberrechtlich geschützter Musik. Im folgenden werden für
Musik relevante Grundzüge des Urheberrechtsgesetzes (UrhG), die wirtschaftliche
Nutzung (Verwertung) von Musik und die dabei beteiligten Personen und
Organisationen beschrieben.
2.3.1 Deutsches Urheberrecht und verwandte Leistungsschutzrechte
Ein spezielles Urheberrecht für Musik existiert nicht. Das UrhG
und seine verwandten Leistungsschutzrechte sind die rechtliche Grundlage
für den Schutz der Komponisten, darbietenden Künstlern und Tonträgerindustrie,
sowie für die Verwertung ihrer Musikstücke. Für eine Musikaufnahme
existieren verschiedene Rechte. Dies sind die Urheberrechtsansprüche
des Werkschöpfers, die verwandten Leistungsschutzrechte der Tonträgerhersteller,
sowie die Nutzungsrechten, die einem Lizenznehmer gewährt werden.
Das Urheberrecht besitzt allein der Schöpfer eines Werkes. Das Urheberrecht
eines Werkes beinhaltet das Persönlichkeitsrecht (Veröffentlichungsrecht,
Recht auf Anerkennung und Verbot der Entstellung), das Verwertungsrecht
(Vervielfältigungsrecht, Verbreitungsrecht; Senderecht, Recht der
öffentlichen Wiedergabe) und das Recht auf Ausgleichstantieme. Für
den Musikvertrieb von Interesse ist das Verwertungsrecht zur Vervielfältigung
und Verbreitung eines Werkes .
Ist der Urheber allein nicht in der Lage, sein Werk zu verwerten, können
Nutzungsrechte Dritten zur Verwertung eingeräumt werden. Diese können
räumlich, zeitlich und inhaltlich eingeschränkt werden. Für
die Nutzung eines Rechts nach dem UrhG hat der Inhaber des Rechts einen
Vergütungsanspruch (Ausgleichstantieme). Für Musikkompositionen
ist es jedoch unzweckmäßig, mit jedem an der Nutzung des Werkes
Interessierten entsprechende Verträge auszuhandeln und deren Einhaltung
zu überwachen. Daher haben die meisten Urheber die Nutzungsrechte
ihrer Musikkomposition an die Verwertungsgesellschaft Gesellschaft für
musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte
(GEMA) abgetreten. Die GEMA ist berechtigt und verpflichtet, diese Rechte
zu nutzen und zu schützen. Mit den Verwertungsgesellschaften anderer
Länder bestehen Gegenseitigkeitsverträge. Daher vertritt die
GEMA faktisch das gesamte Weltrepertoire. Jeder, der urheberrechtlich
geschützte Musik spielt oder sendet, muß an die GEMA, nach
deren Tarifen oder den geschlossenen Verträgen, zahlen. Die Einnahmen
der GEMA werden dann nach einem Verteilungsschlüssel auf ihre Mitglieder
ausgeschüttet.
Die dem Urheberrecht verwandten Leistungsschutzrechte schützen die
Leistungen, die im Zusammenhang mit dem urheberrechtlichen Werk stehen.
Dies sind die künstlerischen und technischen Leistungen der Tonträgerhersteller
und die Interpretation des ausübenden Musikers. Der Tonträgerhersteller
bringt meist den Komponisten und die Musikern zusammen, stellt das Tonstudio
und die Technik für die Musikaufnahme, trägt das wirtschaftliche
Risiko und fertigt den Tonträger. Die verwandten Leistungsschutzrechte
billigen dem Tonträgerhersteller daher ein ausschließliches
Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung dieser Musikaufnahme auf
einem Tonträger zu. Die erste Festlegung der Musikaufnahme auf einem
Trägermedium und deren Veröffentlichung begründet dieses
Recht. Für die Rechtsprechung ist die Art der Speicherung musikalischer
Information, ob analog, elektromagnetisch oder digital erfolgt, nicht
entscheidend. Dieses Ausschließlichkeitsrecht für eine Musikaufnahme
endet nach 50 Jahren. Wurde eine Musikaufnahme auf einem Tonträger
veröffentlicht, so haben Rundfunkanstalten dann das uneingeschränkte
Senderecht.
Der Interpret und ausübende Künstler prägt eine Musikaufnahme
ebenfalls maßgeblich. Ähnlich den Rechten des Urhebers hat
er das Recht, über die Aufnahme und die Vervielfältigung von
Ton- und Bildträgern seiner Darbietung zu entscheiden. Dem Tonträgerhersteller,
sowie dem ausübenden Künstler steht für die öffentliche
Wiedergabe ihrer Musikaufnahme ebenfalls ein Vergütungsanspruch zu.
Wahrgenommen wird dieser Anspruch durch die Verwertungsgesellschaft Gesellschaft
zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL). Diese nimmt die Rechte
der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller wahr, schließt
Verträge mit den Rundfunkanstalten über die Höhe der Vergütung
für die Senderechte und zieht über die GEMA Gebühren für
öffentliche Wiedergabe ein.
Es existieren gesetzliche Einschränkungen des Urheberrechts. Die
Nutzung einer Musikaufnahme ist frei, wenn sie zu Unterrichtszwecken eingesetzt,
öffentlich ohne Erwerbszweck, etwa bei einer privaten Feier wiedergegeben
wird, oder zum privaten Gebrauch kopiert wird. . Gleichzeitig begründet
die Einschränkung auch das Recht auf private Kopien, das nicht eingeschränkt
werden soll. Diese Einschränkung ist heutzutage problematisch, da
digitale Tonträger und Digitale Musik ohne Qualitätsverlust
kopiert und widerrechtlich weitergegeben werden können. Die Geräte-
und Leerkassettenvergütung von 2.50DM und 0.12DM pro Stunde, die
auch auf CD-Brennern und CD-Rohlingen erhoben wird, werden auf Urheber,
Künstler und Tonträgerhersteller verteilt. Auf einer handelsüblichen
CD liegen 5DM bis 8DM Lizenzgebühren. Der Einnahmeausfall des Tonträgerherstellers
und des Handels ist dabei nicht berücksichtigt.
 
2.3.2 Internationaler Urheberrechtsschutz
Der Schutz, den ein nationales Urheberrecht gewährt, ist auf den
jeweiligen Staat begrenzt. Die einzelnen Staaten müssen daher, um
die Werke ihrer Staatsangehörigen im Ausland zu sichern, untereinander
Verträge abschließen. Unzureichender oder differierender Urheberrechtsschutz
zweier Staaten birgt die Gefahr von Schutzlücken und eine Musikverwertung
ohne Vergütung der Urheberrechtsinhaber und Leistungschutzberechtigten.
Gerade der weltweite digitale Musikvertrieb über das Internet bedarf
einheitlicher Gesetzgebung. Die grundlegenden Übereinkommen sind
die Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ) und das Rom-Abkommen
(RA). Die RBÜ gewährt jedem ausländischen Urheber den inländischen
Urheberschutz. Dabei erhält er einen festgelegten Mindestschutz,
falls der inländische Schutz nicht ausreichend ist. Die Organisation
der RBÜ ist die World Interlectual Property Organisation (WIPO).
Der RBÜ gehören 125 Staaten und damit praktisch alle Industrienationen
an (EU, USA, Japan, China, Russische Föderation). Das RA schützt
die Leistungsschutzrechte der Künstler und Tonträgerhersteller.
Es beruht, wie das RBÜ, auf dem Prinzip der Inländerbehandlung
und einem Mindestschutzrecht. Neben diesen Abkommen sind 1996 der WIPO
Copyright Treaty (WCT) und der WIPO Performance and Phonogram Treaty (WPPT)
beschlossen worden, die Neuerung hinsichtlich des Vervielfältigungs-,
Verbreitungs- und Vermietungsrechts digitaler Werke. Die neuen Möglichkeiten
der Online-Verwertung, wie die digitale Musikdistribution, On-Demand-Musikdatenbanken
oder Online-Sendungen, und die gestiegene Musikpiraterie im Internet erfordern
eine Erweiterung der rechtlichen Regelungen und Abkommen. Zu nennen sind
hier der geplante Richtlinienentwurf der EU zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft
und der Digital Millenium Copyright Act (DMCA) der USA vom Oktober 1998.
Der DMCA gilt als richtungsweisend und beinhaltet Bestimmungen gegen Musikpiraterie,
Urheberrechtsverletzung und die Festlegung von Regeln für die Übertragung
und Lizensierung von Digitaler Musik. Eine Übernahme oder Harmonisierung
des EU-Urheberrechts steht noch aus. Allerdings konkurrieren bei Harmonisierungsbestrebungen
oft das urhebernahe EU-Urheberrecht und das US-Urheberrecht, welches prinzipiell
dem Verbraucher mehr Rechte zugesteht. Für den digitalen Musikvertrieb
gilt, daß das jeweilige Recht des Landes gilt, von dem aus die digitale
Musik über das Internet verwertet wird.
2.3.3 Musiklizensierung
Musik kann im Internet auf verschiedene Arten genutzt werden. Nachfolgend
werden die Inhaber der Rechte für die typischen Nutzungsarten von
Musik im Internet aufgezählt.
Sollen Texte oder Noten einer Musikkomposition im Internet veröffentlicht
werden, so bedarf dies der Zustimmung des Urhebers selbst. Live-Broadcasting
oder Internet-Radio entspricht einer Rundfunksendung. Hierbei muß
ein Senderecht für die verwendete Musikaufnahmen von der GEMA oder
ggf. bei GEMA-freier Musik direkt beim Urheber lizensiert werden. Bei
interaktiver Musikauswahl, bei der ein Hörer ein Musiktitel wählen
und anhören kann, muß eine Lizenz vom Hersteller der Aufnahme,
meist der Tonträgerhersteller, eingeholt werden.
Soll Musik in digitaler Form über das Internet vertrieben werden,
so muß zunächst der Urheber der Musikkomposition dieser Verbreitungsform
zustimmen. Darüber hinaus muß vom Tonträgerhersteller
eine Lizenz für die Vervielfältigung und Verbreitung der Musikaufnahme
erworben werden. Als alternatives Modell kann die Online-Distribution,
ähnlich dem Verkauf von Tonträgern über den Handel, als
Lieferung angesehen werden. Dabei erhält der Internetanbieter keine
Lizenz, sondern übernimmt eine reine Verbreitungsfunktion. Der Internetanbieter
erhält keine Rechte an der Musikaufnahme. Die Kontrolle über
tatsächliche digitale Kopien und Verkaufszahlen muß dabei sichergestellt
werden.
 
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