6 Digitale Musikangebote
im Internet
 
6.1 Projekte der Major Label und Online-Musikanbieter
Anfang 1999 wurde in USA das Madison Projekt vorgestellt. Dabei haben
sich die Major Labels und als Technologlieferant IBM in einem Pilotprojekt
zusammengeschlossen, um Erfahrungen beim Angebot von digitaler Musik zu
machen. Ein digitaler Vertrieb von Musik wird mit 1000 Haushalten in San
Diego, die über einen Kabelmodemzugang verfügen, getestet. Die
Testkonsumenten haben die Möglichkeit Musik zu kaufen und anschließend
auf eine Audio CD-R zu brennen. Dabei steht ihnen ein Angebot von etwa
2500 Titeln zur Verfügung. Die Abrechnung für die gekauften
Musiktitel erfolgt über die Kreditkarte. Dabei sind die Verkaufspreise
an den regulären Verkaufspreisen im Tonträgerhandel ausgerichtet.
Das von IBM zur Verfügung gestellte EMMS - Systeme (Electronic Music
Managing System) ist eine Weiterentwicklung eines Clearhousing - System,
das für Banken entwickelt wurde. Das Pilotprojekt soll dabei besonders
die Möglichkeiten zur Sicherung eines digitalen Musikvertrieb testen,
um daraus Systeme für einen zukünftigen Digitalen Musikvertrieb
im Internet zu entwickeln.
Die Deutsche Telekom testen zusammen mit der deutschen Musikindustrie
seit September 1997 ihren Music-on-Demand Dienst. Die Deutsche Telekom
stellt die erforderlichen Technologien und Netzwerke zur Verfügung,
die Musikindustrie die Musikproduktionen. Der Music-on-Demand Dienst nutzt
das ISDN-Netz der Telekom, um die Musik zum Käufer zu übertragen.
Zudem ist der Musikvertrieb auf Abonnenten des T-Online Internetdienstes
eingeschränkt. Der Musikkäufer wählt zunächst auf
der Internet -Seite seine gewünschten Musiktitel oder Alben aus.
Dabei stehen ihm Suchmaschinen und personifizierte Angebote zur Verfügung.
Bei einem Musikkauf wird der Käufer vom System zurückgerufen
und über eine spezielle Software die Übertragung der Musik abgewickelt.
Dabei können die ISDN-Kanäle gebündelt werden, so daß
eine Übertragung in Echtzeit (128kbps) erfolgen kann. Die Software
erlaubt es dem Musikkäufer einmalig eine Audio-CD von der digitalen
Musikdatei zu erstellen. Die digitale Musikdatei ist dabei verschlüsselt
und kann nur mit der auf den Käufer registrierten Software wiedergegeben
werden. Das verwendete Musikformat benutzt den MPEG-2 AAC Standard zur
Komprimierung der Musik. Die Abrechnung des Musikkaufs erfolgt über
die Telefonrechnung des T-Online Internetabonnements. Der Vorteil für
den Tonträgerhersteller ist neben dem sicheren Musikformat, die Nutzung
eines Licence-Clearhouse-Systemes. Die Telekom besitzt keine Musiklizenzen,
sondern übernimmt nur die Musiklieferung und deren Abrechnung für
den Musikhersteller. Die Einnahmen aus dem Verkauf werden, abzüglich
einer Provision und der Telekommunikationskosten an den Musikhersteller
weitergegeben. Nachteilig für den Konsumenten ist, daß sehr
hohe Übertragungskosten anfallen, und daß einzelne aktuelle
Musiktitel aus einem Album mit hohen Preisen kalkuliert sind. Die Kosten
für ein Doppel-CD-Album liegen z.T. beim doppelten Preis einer Musik-CD
im Handel. Preise für einzelne Titel können zwischen 5DM und
10DM liegen. Darüber hinaus sind hauptsächlich Back-Katalog
Musikangebote und wenig aktuelle Musiktitel vorhanden. Das System wurde
an die Bedürfnisse der Musikindustrie angepaßt und am klassischen
Tonträgerverkauf ausgerichtet. Eine neue Preis- oder Produktgestaltung
wird nicht angeboten.
Einige Tonträgerhersteller und Musikanbieter nutzen bereits Musikkiosksysteme.
So bietet beispielsweise Sony Kiosksysteme an, mit denen der Konsument
aus 4000 Alben persönlich seine Musik auf Audio-CD, DVD, MD oder
auf einen portablen Musikplayer überspielen kann. Die Systeme sollen
in Zukunft auch Musik auf Sony´s Memory-Stick-Technologie aufspielen
können . Musicmakers, ein Internetanbieter von digitaler Musik bietet
digital komprimierte Musik zur Zusammenstellung auf CD-R an und nutzt
Kiosksysteme als Übergangslösung bis höhere Datenraten
bei den Musikkonsumenten verfügbar sind. Digital-On-Demand (www.digitalon-demand.com)
vermarktet Musik mit Kiosksystemen in den Disney-Themen Parks.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Major Label und
Online-Musikanbieter noch zurückhaltend gegenüber einem digitalen
Musikangebot sind. Mit sicheren und einheitlichen Standards, die durch
die SDMI geschaffen werden sollen, wird sich dies ändern.
 
6.2 Musiklabel und Künstler
Für Künstler bietet sich erstmals die Chance, direkt Musik dem
Konsumenten anzubieten. David Bowie gab als Promotion- Aktion auf der
eigenen Website 1996 einen digitalen Musikfile seiner neuen Single frei.
300.000 Fans luden diese herunter. Das aktuelle Album war über Online-Anbieter
drei Wochen vor der Veröffentlichung im Tonträgerhandel erhältlich.
Etablierte Künstler nutzen die kostenlose Veröffentlichung ihrer
Musik meist für die Promotion oder nutzen den Kontakt, der bei der
Veröffentlichung zustande kommt, für spätere Ankündigungen
von Neuvorstellungen. In einer Mail-Aktion der Gruppe Yello, enthielt
die Mail 30 Sekunden des aktuellen Musiktitels und ein Angebot eines Online-Musikanbieters.
Die Adressen der Musikhörer waren von einem vorausgegangenen kostenlosen
Promotion-Musikangebot.
Das Musikangebot des virtuellen Musiklabels MP3.com hat bislang den größten
Umfang. Es umfaßte im November 1999 etwa 80.000 Musikstücke
von 15.000 Gruppen, bei einem täglichen Zuwachs von etwa 100 Künstlern.
MP3.COM bietet kostenlos Musik im Internet an und ermöglicht Nachwuchskünstlern
die Chance ihre Musik frei in das Online-Angebot einzustellen. Dabei geht
der Künstler keine Vertragsbindung mit dem virtuellen Musiklabel
ein. Der Musikhörer kann Musik kostenlos laden und fertige Audio-CD´s
eines Künstlers oder Compilations für 10$ bestellen. Aus den
Einnahmen seiner verkauften CD`s erhält der Künstler 50%. Die
Webseite von MP3.Com wird täglich von etwa 100.000 Besuchern besucht
und bietet neben Musik, Information und Diskussionsforen. Die wirtschaftliche
Grundlage von MP3.Com bilden die Einnahmen aus dem CD-Verkauf und die
Werbeangebote auf der Homepage. Abbildung 28 stellt das Businessmodell
von MP3.com dar.
 
6.3 Neue Formen des Musikangebotes
Liquid Audio (www.liquidaudio.com) und Realnetworks (www.real.com) sind
Anbieter von Software und Serversystemen, um Musik im Internet sicher
zu übertragen. Über das Angebot ihrer Produkte hinaus, bieten
sie digitale Musik zum Kauf auf ihrer Homepage an. Dabei wird das eigene
System genutzt und gleichzeitig Musik dem Online-Besucher angeboten. Aufgrund
der Sicherheit der Musikformate, wird ein umfangreiches Musikrepertoire
bekannter Künstler angeboten.
Abb. 27: Businessmodell von MP3.Com
Quelle: Takahashi / Yoshio (1999).
Das Unternehmen Firefly (www.firely.net) bietet ein webbasiertes Empfehlungssystem
für Musikanbieter. Ein Nutzer des Systems meldet sich über einen
Musikanbieter an und nennt mindestens zehn CD´s, die er selber am
liebsten hört. Die Angaben nutzt die im Hintergrund arbeitende Software
Firefly und vergleicht sie mit den Angaben anderer Mitglieder. Das Musik-Portal
Mylaunch (www.mylaunch.com) hat etwa 500.000 Mitglieder, die bisher ihre
Präferenzen über das Firefly-System eingegeben haben. Diejenigen
Nutzerangaben, die sich mit den Präferenzen des Neueinsteigers am
besten decken, werden herrausgesucht. Der Neueinsteiger erhält dann
Hinweise auf alternative CD`s, die von anderen Mitgliedern mit ähnlichen
Musik-CDs und Musikpräferenzen bewertet wurden. . Für die CD`s
wird ein Verkaufsangebot von einem kooperierenden Musikanbieter erstellt,
an deren Erlös Firefly beteiligt ist.
Eine neue Möglichkeit zur Vorstellung von Musik und der Generierung
von Nachfrage ist Internet-Radio. Neue Businessmodelle für Internet-Radio
nutzen die Interaktionsmöglichkeiten des Internet und die Nachfrage,
die durch ein Radioprogramm generiert wird. Das Internet-Radio Spinner
(www.spinner.com) sendet z.B. auf etwa 100 verschiedenen Kanälen
spartenspezifisch Musik im Internet. Während der Wiedergabe der Musiksendung
wird der aktuelle Musiktitel angezeigt und kann per direkten Zugriff beim
Kooperationspartner und Musikanbieter Amazon (www.amazon.com) als CD oder
in digitaler Form gekauft werden. Gleichzeitig können Musiktitel
direkt bewertet werden und generieren so ein Feedback beim Künstler
und Tonträgerhersteller. Bisher ist die Qualität der Internet-Radio-Sendungen
noch begrenzt durch die Bandbreiten innerhalb des Internet und durch den
Internetzugang zu den Haushalten. Hinzu kommen, die Online-Kosten, die
im Gegensatz zu klassischem Radio zusätzlich anfallen.
Neue Businessmodelle bieten dem Internetsurfer Bonusvergütungen
für den Besuch ihrer Website oder für Web-Advertising, das in
einem Fenster kontinuierlich bei einer Verbindung zum Internet auf dem
Desktop angezeigt wird. Der Internet-User erhält hierfür einen
Bonusbetrag der gegen Musik im Internet eingetauscht werden kann (www.ipin.com).
Werbefinanzierte Businessmodelle offerieren kostenlos zu ladende Musik
auf ihrer Webseite. Vor jedem Musikstück ist untrennbar mit der Musik
verbunden eine hörbare oder visuelle Werbeaussage, die diese Musikverbreitung
finanziert (www.amp3.com).
Die Nutzung von digitaler Musik bietet eine Vielzahl neuen Vermarktungsformen
von Musik. Diese sind im klassischen Tonträgerhandel und mit klassischen
Musikformaten bisher nicht möglich gewesen.
 
|